Samstag, 11. Mai 2019

Die Machtfrage in der Kirche

In letzter Zeit habe ich sehr widersprüchliche Forderungen und Argumente gehört, die aus derselben Ecke kamen. Manchmal scheinen gerade diejenigen, die am lautesten schreien, nicht darüber nachgedacht zu haben, was sie eigentlich wollen.

Ich bin ja der Meinung, mit dem Verstand nachdenken hilft und bringt weiter als sich nur von seinen Emotionen leiten zu lassen. Gerade wenn man etwas zunächst nicht versteht, ist es durchaus nützlich, zuerst zu fragen: "Warum ist das so?", bevor man schreit: "Das ist falsch!" Aber das mal nur als Randbemerkung.

Nun also zu den zwei widersprüchlichen Aussagen:

Zum einen höre ich in letzter Zeit häufig die Behauptung, in der Kirche ginge es sehr viel um Macht. Es wird behauptet, Priester und Bischöfe würden ihre Macht ausnutzen. Das sei falsch und müsse dringend geändert werden.

An dieser Aussage ist ein Teil richtig, nämlich: Der Kirche, d.h. den einzelnen Mitgliedern der Kirche, darf es nicht um Macht gehen. Jesus selbst sagt zu dem Thema ganz deutlich:
"Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Großen ihre Vollmacht gegen sie gebrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein." (Mt 20, 25-27)
 Machtstreben soll in der Kirche nicht sein, das ist richtig.

Nicht richtig ist hingegen die erste Behauptung. Zunächst einmal liegt hier ganz offensichtlich eine Verwechslung vor. Die Grundannahme hinter dieser Behauptung ist, dass eine Weihe ganz automatisch mit Macht verbunden ist, während Laien grundsätzlich keine Macht haben. Das ist sachlich einfach falsch.

Eine Weihe ist eine geistliche Angelegenheit; es ist etwas, das in der "unsichtbaren Welt" stattfindet, d.h. ein Wirken Gottes, das nicht sichtbar ist. Es ist so wie z.B. mit der Taufe: Bei der Taufe ist für uns nur das äußere Zeichen wahrnehmbar, also das Übergießen mit Wasser und die dazu gesprochenen Worte. Was Gott dabei wirkt, nämlich dass er den Täufling zu seinem Sohn oder seiner Tochter macht, das sehen wir nicht. Genauso sehen wir nicht, was bei der Weihe passiert.

Durch die Priesterweihe erhält der Weihekandidat gewisse Vollmachten von Gott, wie z.B. die Sündenvergebung in der Beichte oder die Wandlung der Gaben in der Eucharistie. Es sind sozusagen Vollmachten für übernatürliche Dinge. Die Weihe gibt ihm aber keine irdische Macht über andere Menschen.

Die Verwechslung fängt vielleicht schon damit an, dass die Worte "Priester" und "Pfarrer" nicht unterschieden werden. Ein Priester ist eine Person, die die Priesterweihe empfangen hat; aber bei weitem nicht jeder Priester ist auch Pfarrer. Ein Vikar (oder Kaplan) ist ein Priester, der dem Pfarrer untersteht. Und ein Ordenspriester ist nicht nur (wie jeder Priester) Gott, dem Papst und seinem Bischof Gehorsam schuldig, sondern auch der Leitung seines Ordens.

Es gibt also genügend Priester, die ganz offensichtlich keine Macht haben. Und wie ist das bei Pfarrern und Bischöfen?

Als Mitglied des Pfarrgemeinderates bekomme ich hautnah mit, dass die Macht unseres Pfarrers sehr begrenzt ist. Natürlich ist die Stelle des Pfarrers eine Leitungsposition. Aber das darf man sich nicht so vorstellen, als ob der Pfarrer alles bestimmen würde. Die wichtigen Entscheidungen unserer Seelsorgeeinheit können ohne den Beschluss des Pfarrgemeinderates oder gar gegen ihn nicht getroffen werden.

Selbst wenn unser Pfarrer über den PGR hinweg regieren wollte, könnte er es nicht, denn da schaut ihm die Bistumsleitung auf die Finger und überprüft regelmäßig seinen Führungsstil. Wer also eine Machtposition sucht - das Amt des Pfarrer ist keine.

Und der Bischof? Auch hier wäre es sehr naiv zu glauben, dass der Bischof der Alleinherscher seiner Diözese wäre oder sein könnte. Auch der Bischof ist an diverse Gremien gebunden und in der Bistumsleitung gibt es mehr Mitarbeiter, als man zunächst annehmen mag.

Also, um das bisher Gesagte kurz zusammenzufassen:
1. Weihe bedeutet nicht Macht.
2. Leitungspositionen in der Kirche sind nie so, dass eine Person machen kann, was sie will. Denn abgesehen davon, dass sie Gott Gehorsam schuldet, sind viele weitere Personen in die Leitung involviert und können nicht übergangen werden.

Soweit zur ersten Aussage. Die zweite, die in meinen Augen im Widerspruch zur ersten steht, lautet:
"Die Frauen in der Kirche sollen mehr Macht bekommen!"

Hä - wie jetzt?!

Nachdem "Macht" als etwas Schlechtes dargestellt worden und klargestellt worden ist, dass Mitarbeiter der Kirche nicht nach Macht streben sollen, wird jetzt ein Machtstreben ganz deutlich, ja, jetzt wird Macht als ein Recht eingefordert. #findedenfehler #logik

Als erste Reaktion darauf kann ich nur auf das oben genannte Jesuszitat hinweisen: Machtstreben in der Kirche ist nicht. Das gilt gleichermaßen für Männer und Frauen. Niemand hat für sich Macht einzufordern, unabhängig von seinem Geschlecht.

Die Logik der Aussage: "Machtstreben von Männern ist schlecht, Machtstreben von Frauen ist gut", erschließt sich mir nicht und sie wäre auch völlig unbiblisch.

Abgesehen davon haben Frauen in der Kirche Macht und Einfluss. So viele Frauen sitzen in Pfarrgemeinde- und Diözesanräten und anderen Gremien; so viele Frauen haben hauptberuflich kirchliche Leitungspositionen inne. Man darf sich nicht davon blenden lassen, dass der Bischof ein Mann ist. In der Bistumsleitung arbeiten viele Frauen. (Und die Leitung der weiblichen Ordensgemeinschaften liegt sowieso zu 100% bei Frauen.)

Wer das nicht glauben will, möge gerne mal googeln und recherchieren, wie viele Frauen in Leitungspositionen der Kirche sitzen und wie viele in der Wirtschaft. Der Vergleich wird überraschen.

Wenn dann die Forderung "Gebt den Frauen Macht!" auch noch in den Ruf mündet, Frauen sollten zu Priestern geweiht werden, ist das Ganze völlig absurd. Denn wie oben dargestellt bedeutet die Priesterweihe ja gar nicht Macht.

Eine Frau, die sich eine verantwortungsvolle Aufgabe in der Kirche wünscht, kann sich z.B. auf eine Stelle in der Bistumsleitung bewerben. Allerdings hoffe ich sehr, dass die Verantwortlichen für die Stellenbesetzung niemanden (weder Mann noch Frau) einstellen, der sich auf die Stelle bewirbt, um Macht zu haben.

Dienstag, 7. Mai 2019

Darf er das?

Ich liebe dieses Programm von Chris Tall, wo er darüber spricht, dass wir oft solche Angst davor haben, etwas politisch Inkorrektes zu sagen, dass wir, wenn jemand eine Bemerkung über eine Randgruppe macht, sofort schockiert sind und uns fragen: "Darf er das?"



Manchmal denke ich, dass diese Meinung, dass manches politisch nicht korrekt sei und deshalb nicht ausgesprochen werden dürfe, sich schon so sehr in uns breitgemacht hat, dass sie auch schon unseren Bezug zur Religion ergriffen hat.

Was darf Religion heute noch, was darf sie nicht? Was darf die Kirche, was darf sie nicht? Was darf Gott, was darf er nicht?

Sind wir nicht schon so weit, dass wir Gott einen Maulkorb anlegen wollen?
"Also das ist jetzt meine Privatsache, da bin ich ja wohl niemandem Rechenschaft schuldig!" - Gibt es nicht Bereiche in unserem Leben, wo wir Gott lieber draußen halten wollen?

Sex zum Beispiel. Wir lassen uns in der Sonntagspredigt gerne erzählen, dass wir zu unseren Nachbarn nett sein sollen. Aber wehe, der Pfarrer spricht über den Umgang mit Sexualität! Wann, wie und mit wem ich Sex habe oder nicht habe, darf mir doch keiner vorschreiben! Oder? Darf er das??

Wenn Gott diese Welt erschaffen hat, wenn er den Sex erschaffen hat, wie kommen wir da eigentlich auf die Idee, dass ihn dieses Thema nix anzugehen hat und dass ich damit mache, was ich will?

Darf Gott heute noch die Spielregeln für seine Schöpfung bestimmen? Darf er das?? Oder hat er sich nicht auf seine Wolke zurückzuziehen und uns in Ruhe zu lassen?

Es geht ja schon los, wenn man nur die ersten Sätze der Bibel liest. Gott erschafft die Welt, er erschafft den Menschen, und dann heißt es da: "Als Mann und Frau schuf er sie." - Oh! Darf er das??

Darf Gott in unser heutigen Gesellschaft noch sagen: "Ich habe den Menschen als Mann und Frau erschaffen." ? Darf der Mensch sich denn sein Geschlecht nicht selber aussuchen? Was ist denn dieser Gott für ein Diktator, dass er dem Menschen sein Geschlecht vorschreiben will? Muss der aufgeklärte Mensch von heute sich das noch gefallen lassen?

Wir leben in einer Gesellschaft, in der der Mensch, das Individuum, alles für sein Leben selbst bestimmen will. Wir halten den Individualismus für dermaßen normal, dass wir direkt allergisch reagieren, wenn uns jemand etwas vorschreiben will: Oh! Darf er das??

Gerade in letzter Zeit werden häufig Stimmen laut, die der Kirche verbieten wollen, irgendwelche Vorschriften zu machen. Die Kirche hat klare Regeln. Darf sie das??
Nach unserem Empfinden heutzutage darf sie das offenbar nicht!

Aber schauen wir doch mal auf die Tatsachen:

1. Die Kirche glaubt an einen Gott, der die Welt erschaffen hat und dem nicht egal ist, was damit passiert. Das bedeutet: Nach dem Glauben der Kirche gibt es einen Gott, der gewisse Regeln festgelegt hat.

2. Die Kirche glaubt weiter, dass dieser Gott sich den Menschen geoffenbart hat und dass er selbst die Kirche in dieser Welt gegründet hat, damit sie den Menschen aller Zeiten und Generationen diese Offenbarung weitergebe.

3. Daraus folgt: Die Kirche kann gar nicht anders, als an den Regeln festzuhalten, von denen sie glaubt, dass Gott sie eingesetzt und der Kirche anvertraut hat. Die Kirche würde ihre Grundlage verlieren, wenn sie aufhören würde, den Menschen zu sagen, was richtig und falsch, gut und böse ist.

4. In Deutschland herrscht Religionsfreiheit. Das bedeutet: Niemand muss hier katholisch sein. Wer überzeugt ist, dass die Lehre der Katholischen Kirche falsch ist, der kann problemlos konvertieren bzw. gar nicht erst katholisch werden. Niemand wird gezwungen, an etwas festzuhalten, an das er nicht glaubt.

Meine Schlussfolgerung: Ich verstehe das Mimimi nicht.

Wer nicht katholisch sein will, soll es lassen. Es gibt Alternativen, z.B. evangelisch, altkatholisch oder freikirchlich. Es gibt so viele christliche Konfessionen, da ist für jeden Geschmack was dabei.
Wer nicht glaubt, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, sondern wer ihn nur für einen Sozialarbeiter hält, der vor 2000 Jahren gewaltfreie Kommunikation gelehrt hat, der kann sich auch für eine andere Religion als das Christentum entscheiden.
Und wer überhaupt nicht glaubt, dass es eine höhere Macht gibt, die irgendeine Rolle spielt, der muss ja gar keiner Religion angehören. Niemand muss hier irgendwas.

Aber wer meint, dass die Kirche unrecht hat, der soll ihr doch bitte einfach den Rücken kehren und sie sein lassen, wie sie ist. Es gibt nämlich eine Menge Menschen, die die Lehre der Kirche für wahr und richtig halten und nicht der Meinung sind, die Kirche müsse sich dem Zeitgeist anpassen. - Oh! Dürfen die das??

DIY als Weltanschauung - klares Nein zum Schöpfer

Wir Christen glauben an einen Gott, der diese Welt, ja das ganze Universum erschaffen hat. Das klingt nach einer Binsenweisheit, aber ich ...